Regionalentwicklung - Nachhaltigkeit


In Kürze: Mit diesem Schwerpunkt erschließt das UniGR-CBS den Bereich der nachhaltigen Planung in Grenzräumen. Entscheidende Herausforderungen wie die Anpassung an den Klimawandel, die Frage des ökologischen Verbunds, die wirtschaftliche Entwicklung oder der soziale Zusammenhalt reichen über die Grenzen der Großregion hinaus. Dennoch sind die Planungsansätze diesseits und jenseits der Grenzen der Großregion wenig aufeinander bezogen, sei es aufgrund unterschiedlicher politischer Interessenslagen, institutioneller Traditionen oder der Einflüsse anderer Politikbereiche. In diesem Schwerpunkt wird untersucht, wie Planungsakteure mit diesen Herausforderungen umgehen, insbesondere im Rahmen eines Nachhaltigkeitsansatzes, der inzwischen in allen Teilgebiete der Großregion von Bedeutung ist.


 

Für die Regionalentwicklung in Grenzregionen eröffnen sich derzeit vielfältige Risiken und Chancen, die sich durch demographische und gesellschaftliche Veränderungsprozesse, wirtschaftliche Transformationen, die europäische Integration, anstehende Anpassungserfordernisse im Bereich der Umwelt (Klimawandel, Energiewende) und nicht zuletzt die Globalisierung ergeben.

Die spezifische Herausforderung für Grenzregionen besteht darin, diese Transformationsprozesse nicht nur innerhalb verschiedenartiger regional-, natur- und kulturräumlicher Voraussetzungen bewältigen zu müssen, sondern bei der Erarbeitung von Lösungsstrategien mit unterschiedlichen Rechtssystemen, Rahmenbedingungen und national geprägten Planungskonzepten konfrontiert zu sein. Daraus können unterschiedliche Prioritätensetzungen und damit eine disparate Entwicklung der Teilregionen resultieren. Auf der Metaebene geht es somit um Bordering-, Rebordering- und Debordering-Prozesse und deren Einflüsse auf die nachhaltige Regionalentwicklung von Grenzräumen.

Wichtige Aspekte der Regionalentwicklung und Nachhaltigkeit innerhalb des transnationalen Wirkungsgefüges sind die Bevölkerungs-, Siedlungs-, Verkehrs- und Wirtschaftsstrukturen, die soziale und technische Infrastruktur, sowie die damit verbundenen Auswirkungen auf die Umweltqualität und die Ökosystemdienstleistungen.

Die Vorgehensweise bei der Bearbeitung kann sowohl analytische Betrachtungsweisen (Beschreibung und Untersuchung von Problemen und Prozessen), wie normative Aspekte (Definition von Entwicklungszielen und deren Bewertung) als auch operative Gesichtspunkte (Konzeption strategischer Handlungsfelder) umfassen. Schlüsselfragen dieses Arbeitsschwerpunktes sind:

  • Welche Prozesse der Regionalentwicklung und Nachhaltigkeit sind konstitutiv für den Grenzraum?
  • Welche Probleme und Engpässe bestehen aktuell in der endogenen Entwicklung?
  • Welche Akteure steuern die Entwicklung des Grenzraumes?
  • Welche regionsinternen wirtschaftlichen, soziokulturellen und ökologischen Potentiale können die Regionalentwicklung nachhaltig fördern?
  • Inwiefern behindert bzw. begünstigt die Grenze die Entwicklung transregionaler Strategien?
  • Wie können intraregionale, grenzüberschreitende Verflechtungen und Kreisläufe initiiert und genutzt werden?
  • Wie kann die Leistungsfähigkeit von Grenzregionen erhalten werden, ohne dabei die Integrität des Umweltsystems in Frage zu stellen?

Bei den Themen Regionalentwicklung und Nachhaltigkeit in Grenzregionen sind zwei paradoxe Konstellationen zu verzeichnen.

Das erste Paradox hängt mit der Phasenverschiebung zwischen den dynamischen funktionalen Entwicklungen des Raums und dem Handeln der Institutionen zusammen, die für die Steuerung der Planung zuständig sind. In einer Grenzregion, die durch massive Grenzgängerströme geprägt wird, die zu den umfangreichsten in der Europäischen Union gehören, entstehen besondere Anforderungen an die Mobilität und die Organisation der Verkehrssysteme. Für die diesbezüglich erforderliche Steuerung müssen die Entscheidungsinstanzen auf nationaler, regionaler und zuweilen auch lokaler Ebene kombiniert werden, deren Interessen selten übereinstimmen, sodass es vorkommen kann, dass bei den für die Regionalentwicklung zuständigen Institutionen im Hinblick auf die geäußerten Bedürfnisse ein zeitlicher Rückstand oder inhaltliche Diskrepanzen zu verzeichnen sind.

Dieses Problem stellt sich klassischerweise auf dem Gebiet der Raumplanung, erhält im grenzüberschreitenden Kontext jedoch eine besondere Ausprägung hinsichtlich der auf mehrere Ebenen verteilten Steuerung sowie der Kompetenzen. Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang, dass die Raumplanung unter dem Gesichtspunkt der Zuständigkeiten zu den hoheitlichen Aufgaben gehört. Auch wenn es Instrumente für eine internationale Koordination wie den EVTZ (Europäischer Verbund für territoriale Zusammenarbeit) gibt, bleibt die Beschlussfassung im Bereich der Raumordnung außerordentlich komplex und schwerfällig.

Das zweite Paradox hängt mit eben dieser Schwerfälligkeit und mit der Aufgabe der Nachhaltigkeit zusammen. Die nachhaltige Entwicklung ist mittlerweile in allen Teilgebieten der Großregion zu einem inhärenten Gebot aller Maßnahmen der Regionalentwicklung geworden. Folglich ist die Aufgabe der Nachhaltigkeit a priori als ein Faktor für die Annäherung der Entwicklungskonzepte zu sehen, die von den verschiedenen Teilgebieten der Großregion verfolgt werden. Allerdings ist es schwierig, im Hinblick auf die nachhaltige Entwicklung im grenzüberschreitenden Kontext für eine Operationalisierung zu sorgen:

Die Handlungsweisen der Grenzgänger sind sehr häufig nicht von Dauer. Die grenzüberschreitende Beschäftigung beruht auf der Suche nach Chancen (insbesondere hinsichtlich der Vergütung), die eine Nutzung des Pkw legitimieren kann, was umso mehr in einem grenzüberschreitenden Raum gilt, in dem es häufig ein nur schwach entwickeltes ÖPNV-Netz gibt.

Gerade die nachhaltige Entwicklung setzt aber voraus, dass Energie eingespart und insgesamt mit weniger besser produziert und gehandelt wird. Doch in einem grenzüberschreitenden Kontext wird alles schwieriger und behäbiger: Verhandlungen sind langwieriger, die nationalen Systeme sind in vielerlei Hinsicht nicht kompatibel, die Interessen divergieren und die Vorstellungen vom jeweils anderen sind überzeichnet.

Somit ist die Entfaltung einer nachhaltigen Regionalentwicklung in einem grenzüberschreitenden Kontext ein potenziell fruchtbarer Forschungsschwerpunkt.

Übergeordnet steht das Ziel der Erhaltung und Gestaltung einer zukunftsfähigen Entwicklung von Grenzregionen im Vordergrund, um wirtschaftliche Stabilität, gleichwertige Lebensbedingungen und ökologischen Nachhaltigkeit zu erzielen. Dadurch bestehen Verflechtungsmöglichkeiten mit den weiteren UniGR-CBS Arbeitsschwerpunkten. Der Arbeitsschwerpunkt trägt somit sowohl der disziplinären Vielfalt als auch einer Querschnittsorientierung Rechnung und integriert vielfältige Ansätze und Methoden aus den Raum-, Planungs-, Umwelt-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften.

Literatur

  • Hamez, G., (dir.), 2007, « Aménagement et frontières », Mosella tome 32 (1-4).
  • Hamez, G., Amilhat-Szary A-L, Paris D., Reitel B., Walther O., 2013, « Modèles de frontière », Belgeo, 1, https://belgeo.revues.org/10659.
  • Reichert-Schick, A., 2012, “Regressive Siedlungsentwicklung in Vorpommern und der Westeifel. Indikatoren, Determinanten und Effekte von Erosionsprozessen in peripheren ländlichen Räumen Deutschlands” In: Schmied, Doris (Hg.): Peripherien in Europa zwischen Rückbau und Umbau. (Rural, 6). Göttingen, S. 37-6.
  • Teller J. et al., 2015, « Vers une généralisation des quartiers durables? Présentation du référentiel d’aide à la conception et à l’évaluation développé en Wallonie et analyse prospective de douze quartiers. », Urbia.