The Temporary Reintroduction of Border Controls Inside the Schengen Area: Towards a Spatial Perspective

The Temporary Reintroduction of Border Controls Inside the Schengen Area: Towards a Spatial Perspective

Grenzraum
Schengenraum, Europäische Union, Großregion
Sprache(n)
Englisch
Einleitung

Dieser Artikel behandelt die räumlichen Auswirkungen der vorläufigen Wiedereinführung der Grenzkontrollen innerhalb des Schengenraums. Konzeptuelle Hilfsmittel für die Analyse der Wiedereinführung der Grenzkontrollen werden vorgestellt und mit einer Auswahl an empirischen Befunden verglichen.

Zusammenfassung

Angesichts des Schengenabkommmens wurden Grenzkontrollen an den internen EU-Innengrenzen größtenteils abgeschafft. 30 Jahre nach der Unterzeichnung dieses Abkommens ist Europa mit der “Flüchtlingskrise” (EC 2016) konfrontiert. Nach jüngsten Geschehnissen wie den Terroranschlägen in Paris und Brüssel beschlossen manche Länder die Wiedereinrichtung von Grenzkontrollen. Was sind die Auswirkungen der Wiedereinführung dieser Grenzkontrollen aus einer räumlichen Perspektive? Um diese Frage zu beantworten schlagen die Autor_innen einen synthetischen Literaturüberblick über konzeptionelle Instrumente vor, um die Wiedereinführung der Grenzkontrollen zu analysieren und um diese mit einer Auswahl an empirischen Befunden zu verbinden. Der Fokus liegt auf der Großregion, einer grenzüberschreitende Region, in der funktionale Abläufe wichtig sind.

Inhalt

Im Jahr 2015 haben einige EU-Mitgliedstaaten die Wiedereinführung von Grenzkontrollen beschlossen. Oftmals fanden diese Entscheidungen unilateral statt. Die alltägliche Funktionalität von Grenzregionen ist von diesen Entscheidungen stark betroffen. “Der grenzüberschreitende Integrationsprozess ist de facto zeitlich ausgesetzt” (S. 3). Während einige Studien bereits die ökonomischen Folgen dieser vorläufigen Wiedereinführung von Grenzkontrollen herausgearbeitet haben, beabsichtigt diese Untersuchung eine Analyse der räumlichen Tragweite dieser Entscheidung.

Die Autor_innen fassen vier “konzeptionelle Instrumente für die Analyse der Wiedereinführung von Grenzkontrollen im Schengenraum” zusammen. Im ersten Abschnitt, “Die Wiedereinführung von Grenzkontrollen: Das Dilemma zwischen der gleichzeitigen ‘Bewältigung’ von Mobilität und Sicherheit”, wird das Dilemma zwischen Sicherheitsanforderungen der Mobilitätskontrollen und der im Schengenabkommen vorgesehen räumlichen Mobilität im 21. Jahrhundert hervorgehoben. Die Autor_innen folgern, dass die Tatsache, dass Sicherheit und Mobilität auf verschiedenen Ebenen der EU verankert sind, die Komplexität des Dilemmas weiter verstärken. Im zweiten Abschnitt über “Grenzen als Machtbeziehungen” liegt der Schwerpunkt auf der Ambivalenz von Grenzen und der Notwendigkeit, Machtbeziehungen zu analysieren. Die „sich gegenseitig verstärkenden“ Konzepte (Sparke 2005) der De/Re-Territorialisierung und des De/Re-Bordering werden vorgestellt. In dem Teil zu “Grenzkontrollen: Einführung einer ‚selektiven Durchlässigkeit‘ und die Umwandlung von Grenze in ein ‚Filter’ oder ‚Membran’” wird die Annahme einer Binarität von offen/geschlossen in Frage gestellt. Aktuelle Auffassungen wie Vorstellung von Grenzen als “asymmetrische Membranen” (Hedetoft 2003), der Begriff der “selektiven Durchlässigkeit” (Popescu 2012) und das von Bernes (2014) verwendete Wort “Plastizität” werden vorgestellt, um die Funktion von ‚Bordering’-Prozessen zu beschreiben. Im Abschnitt zum Thema „Die Legitimität von Grenzen” zeigen die Autor_innen, dass diese Legitimität sich in verschiedenen Formen ausdrückt, und heben den Prozesscharakter von Grenzen hervor.

Im empirischen Teil mit dem Titel “Zwischen physischen und mentalen Grenzen: Wie gehen grenzüberschreitende Regionen die Wiedereinführung von Grenzkontrollen an?” werden drei Interpretationen der aktuellen Situation vorgestellt:

  • “Die Wiedereinführung der Grenzkontrollen in der Großregion: Das ‘Filter’-Konzept infrage stellen“: Im Falle einer asymmetrischen Wiedereinführung von Grenzkontrollen (wie es der Fall in der Großregion mit Frankreich und Deutschland war), ist das “Filter”- Konzept sinnvoll. Es spiegelt trotzdem nicht die vollständige Situation wider. Der Blick auf Legitimität zeigt, wie die verschiedenen Steuerungsebenen sich gegenseitig widersprechen können.
  • “Zwischen Entsetzen und Ungläubigkeit: Grenzsteine von Expert_innen werden hinterfragt”: Interviewte und beobachtete Expert_innen, die auf lokaler, regionaler, nationaler oder europäischen Ebene arbeiten, drückten alle ihre „Sorge“ und „Angst“ bezüglich der Konsequenzen der vorübergehenden Wiedereinführung von Grenzkontrollen für die Zukunft der EU aus.
  • “Die ausdifferenzierten Konsequenzen der Wiedereinführung von Grenzkontrollen”: Die Auswirkungen der Wiedererrichtung von Grenzkontrollen auf struktureller, funktioneller, institutioneller und idealer Dimension (diese vier Kategorien wurden 2014 von Durand vorgeschlagen, um die grenzüberschreitenden Integration zu analysieren) werden auf Basis des empirischen Materials erarbeitet.

Verschiedene Stellungsnahmen werden vorgestellt, um diese drei Interpretationen zu stützen.

Die Wiedereinführung von Grenzkontrollen bringt den europäischen Integrationsprozess aus dem Gleichgewicht. Diese Wiedereinrichtung zeigt, dass Grenzen “ einen Marker für Identität und Sicherheit bilden [remain a marker of identity and security]” (p. 13). Auf lange Sicht sollten sich Mitgliedstaaten über die Verortung und die Sicherheitsfunktion der Grenzen einigen.

Fazit

Die politische, soziale und ökonomische Bedeutung des Wiedereinführungsprozesses von Grenzkontrollen ist wichtig. Die Auswirkungen auf Raum und Territorium hängen zu einem großen Teil von der Intensität und Dauer der Kontrollen und ihrer Vorhersehbarkeit ab. Veränderte Wahrnehmungen von Grenzen können einen Einfluss auf das Leben in Grenzregionen haben. Dies wiederum beeinflusst andere Dimensionen (institutionell, funktional und strukturell) räumlicher Integration. Die Wiedereinführung von Grenzkontrollen zeigt, dass Grenzen weiterhin einen Marker für Identität und Sicherheit bilden (“remain a marker of identity and security”, p. 13). Auf lange Sicht sollten sich Mitgliedstaaten über die Verortung und die Sicherheitsfunktion der Grenzen einigen.

Kernaussagen
  • Es besteht ein Dilemma zwischen den Sicherheitsanforderungen der Mobilitätskontrollen und der im Schengenabkommen vorgesehenen räumlichen Mobilität.
  • Die Wiedereinrichtung von Grenzkontrollen hat Auswirkungen auf die strukturelle, die institutionelle und die ideale Dimension der grenzüberschreitenden Integration. 
  • Die Wiedereinführung von Grenzkontrollen bringt den europäischen Integrationsprozess aus dem Gleichgewicht. Diese Wiedereinführung von Grenzkontrollen zeigt, dass Grenzen weiterhin einen Marker für Identität und Sicherheit bilden (“remain a marker of identity and security”, p. 13).
  • Interviewte und beobachtete Expert_innen, die auf lokaler, regionaler, nationaler oder europäischer Ebene arbeiten, drückten alle „Sorge“ und „Angst“ bezüglich der Konsequenzen der vorübergehenden Wiedereinführung von Grenzkontrollen für die Zukunft der EU aus.
  • Auf lange Sicht sollten sich Mitgliedstaaten über die Verortung und die Sicherheitsfunktion der Grenzen einigen.
Leitung

Estelle Evrard, Birte Nienaber und Adolfo Sommarribas

Ansprechpartner

Estelle Evrard

Fonction
Collaboratrice de recherche
Organisation
Institute of Geography and Spatial Planning, Université du Luxembourg, Luxembourg
Erstellungsdatum
2018
Datum
Erschienen in
Journal of Borderlands Studies, 2018-01-06, p.1-15
Identifikationsnummer

DOI: 10.1080/08865655.2017.1415164

ISSN: 0886-5655

E-ISSN: 2159-1229