Themenheft des UniGR-Center for Border Studies: Grenzgänger in Luxemburg und der Schweiz

Trotz ihrer Kleinheit verzeichnen Luxemburg und die Schweiz eine hohe Arbeitskräftenachfrage und bieten Beschäftigungsmöglichkeiten vor allem für Grenzgänger. Ihre Situation an den Hauptbeschäftigungsstandorten (Luxemburg, Basel, Genf) – aber auch im Tessin – ist Gegenstand des Themenhefts, in dem 19 Autor_innen Beiträge in vergleichender Perspektive vorlegen. Unter Berücksichtigung zentraler Kontextmerkmale und methodologischer Überlegungen betrachten die Geographen, Wirtschaftswissenschaftler, Soziologen und Politologen vor allem den Arbeitsmarkt, grenzüberschreitenden Alltag und die gesellschaftlichen Wahrnehmungen der Grenzgänger. Die multidisziplinäre Annäherung wird abschließend von den Herausgebern zusammengefasst und gemeinsame Herausforderungen für Luxemburg und die Schweiz herausgearbeitet.

Herausgeberinterview

UniGR-CBS: Frau Pigeron-Piroth und Herr Wille, ein Vergleich der Grenzgängersituation in Luxemburg mit der in der Schweiz bietet sich an. Wie ist die Kooperation mit den Forscher_innen aus der Schweiz entstanden?

Ja, die Schweiz und Luxemburg sind die großen Hotspots für Grenzgänger in Europa. In beiden Ländern interessieren sich Forscher_innen für den grenzüberschreitenden Arbeitsmarkt, ein strukturierter Austausch fand aber noch nicht statt. Daher haben wir 2017 Forscher_innen aus der Schweiz nach Luxemburg zu einer Konferenz eingeladen, daraus entstand das Bedürfnis den wissenschaftlichen Austausch weiter zu intensivieren. Wir haben uns dann 2018 in Basel wiedergetroffen und bei diesem Gegenbesuch die deutsch-französisch-schweizerische Forschungsgruppe „LABOR SwissLux – Labour Across Borders“ gegründet. Ihr gehören über zehn Forscher_innen an, die derzeit ein gemeinsames Buch im Harmattan-Verlag vorbereiten.

UniGR-CBS: Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede haben sie zwischen Luxemburg und der Schweiz festgestellt? Was sind die größten Herausforderungen?

In der Schweiz und in Luxemburg stellt man einen starken Anstieg der Anzahl an Grenzgänger_innen in den letzten Jahren fest, verstärkt durch konjunkturelle Probleme bestimmter Regionen, in denen sie leben, aber auch durch die große Vielfalt und Diversifizierung von deren Profilen. Unterschiede lassen sich besonders in Bezug auf die Perzeption der Grenzgänger_innen feststellen. In der Schweiz, vor allem im Kanton Genf und dem Tessin, werden sie für zahlreiche Probleme verantwortlich gemacht, z.B. Arbeitslosigkeit und Lohndumping, während in Basel und Luxemburg die Perzeptionen viel wohlwollender sind. Mehrere, beiden Räumen gemeinsame Herausforderungen könnenidentifiziert werden, seien sie umweltbezogen (z.B. Staus und Luftverschmutzung aufgrund der zahlreichen Pendlerbewegungen), wirtschaftlich (z.B. die zukünftige Entwicklung des Bedarfs an Qualifikationen) oder demographisch (z.B. Alterung der Gesellschaft) sowie sozial (z.B. Kohäsion, Integration, Anstieg des Populismus).

UniGR-CBS: Was die Schweiz betrifft, welche Unterschiede gibt es zwischen den einzelnen Kantonen?

Die Profile der Grenzgänger_innen unterscheiden sich stark von einem Kanton zum anderen, je nach den Bedarfen und Tätigkeiten, die sich dort entwickelt haben. Das produzierende Gewerbe, vor allem die Uhrenherstellung und die Pharmaindustrie, ziehen in Neuenburg, dem Jura und Basel zahlreiche Grenzgänger_innen an. Im Tessin sind sie im Handel und Baugewerbe sehr präsent. In den städtisch geprägten Kantonen wie Basel und Genf gibt es viele Grenzgänger_innen in spezialis spezialisierten wissenschaftlichen und technischen Tätigkeiten, dem Gesundheitswesen und im Zeitarbeitssektor.

UniGR-CBS: Letzte Frage: Was finden Sie persönlich faszinierend an diesem Thema?

Grenzgänger sind in der Tat spannend für die Wissenschaft. Über ihre doppelte nationale Zugehörigkeit – als Bürger im Wohnland und als Arbeitnehmer im Arbeitsland – erfordern sie eine integrative Betrachtung, welche die Grenzen von oft noch national orientierten Ansätzen deutlich macht. Außerdem können wir von Grenzgängern lernen: Als Agenten von grenzüberschreitenden Lebenswelten – sowohl im beruflichen Bereich als auch im Freizeitbereich – verfügen sie über Erfahrungswissen, wie mit Grenzeffekten produktiv umgegangen werden kann.

 

Inhaltsverzeichnis

  • Préface/Vorwort: Heinz Bierbaum, Jeanne Ruffing (Observatoire Interrégional du Marché de l’Emploi de la Grande Région)
  • Le travail frontalier dans une optique comparative : Contextes et enjeux, Isabelle Pigeron-Piroth, Christian Wille (Université du Luxembourg)
  • Le travail frontalier au Luxembourg : Eléments de contexte et de portrait statistique, Isabelle Pigeron-Piroth (Université du Luxembourg)
  • Les Lorrains actifs à l’étranger : Une analyse cartographique au niveau communal, Isabelle Pigeron-Piroth, Malte Helfer (Université du Luxembourg)
  • Les impacts économiques et territoriaux du travail frontalier sur les territoires de résidence : L’exemple du bassin de Longwy, Rachid Belkacem (Université de Lorraine), Isabelle Pigeron-Piroth (Université du Luxembourg)
  • Déchiffrer le phénomène des travailleurs transfrontaliers en Suisse, Cédric Duchêne-Lacroix (Université de Bâle), Christian Wille, Isabelle Pigeron-Piroth (Université du Luxembourg)
  • Travail frontalier et maux du marché du travail : Le cas suisse, Sylvain Weber (Université de Neuchâtel), José V. Ramirez, Giovanni Ferro Luzzi (HES-SO Genève)
  • Quelles attitudes et satisfaction envers les moyens de transport ? Le cas des frontaliers travaillant au Luxembourg, Philippe Gerber (Luxembourg Institute of Socio-Economic Research), Marius Thériault (Université Laval), Samuel Carpentier-Postel (Aix Marseille Université), Christophe Enaux (Université de Strasbourg)
  • Travailler et vivre dans les confins. Modes d’aménagement de la vie quotidienne des frontaliers travaillant dans le « Grand Genève », Claudio Bolzman, Nasser Tafferant (Haute école de travail social Genève)
  • Le travail frontalier à travers quelques illustrations photographiques, Nasser Tafferant (Haute école de travail social Genève)
  • Quelle peut être la participation sociale des travailleurs transfrontaliers ? Réflexions sur la territorialité, la marginalité et le bien commun en contexte frontalier, Cédric Duchêne-Lacroix (Université de Bâle)
  • Wie werden Grenzgänger von institutionellen Akteuren in der Region Basel wahrgenommen?, Nadja Lützel (Universität Basel)
  • Les frontaliers perçus par les acteurs institutionnels dans le canton du Tessin, Paola Solcà (Haute école spécialisée de la Suisse italienne)
  • La perception citoyenne des frontaliers dans le canton du Tessin, Oscar Mazzoleni, Andrea Pilotti (Université de Lausanne)
  • Le travail frontalier au Luxembourg et en Suisse : Similitudes, différences et défis communs, Isabelle Pigeron-Piroth, Christian Wille (Université du Luxembourg)

Bibliographische Angaben und Download

Pigeron-Piroth, Isabelle / Wille, Christian (2019) (Hg.): Les travailleurs frontaliers au Luxembourg et en Suisse : Emploi, Quotidien et Perceptions. UniGR-CBS Borders in Perspective – Cahier thématique Vol. 2. (166 Seiten)

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Ansprechpartner

Christian Wille

Department of Geography and Spatial Planning

Universität Luxemburg
Isabelle Pigeron Piroth
Universität Luxemburg