Grenze und Ästhetik: Repräsentationen von Grenzen in den kulturwissenschaftlichen Border Studies

Grenze und Ästhetik: Repräsentationen von Grenzen in den kulturwissenschaftlichen Border Studies

Grenzraum
USA, Mexiko
Sprache(n)
Englisch
Einleitung

Die Autorin erläutert den Zusammenhang zwischen Grenzen und Ästhetik anhand von, erstens, Grenze als Ort, an dem Ästhetik produziert wird, zweitens der ästhetischen Darstellungen von Grenzen und schließlich aktuelle konzeptionelle und theoretische Ansätze zu Grenzästhetik.

Zusammenfassung

In dem Artikel werden drei Dimensionen von Grenzästhetik besprochen: erstens, Grenze als Ort der Entwicklung ästhetischer Phänomene, zweitens, die ästhetische Darstellung von Grenzen und drittens, Konzepte der Grenzästhetik. Indem diese drei Dimensionen erläutert werden und die verschiedenen sie konstituierenden Elemente und Entwicklungen anhand von Beispielen und konzeptuellen Diskussionen nachgezeichnet werden, wird die „besondere Gestaltungsmöglichkeit der Repräsentation“ (S. 451), die die Grenze aufweist, herausgearbeitet. Dabei wird nicht außer Acht gelassen, dass die verschiedenen Dimensionen von Grenzästhetik einander weder linear ablösen, noch zueinander im Widerspruch stehen, sondern durch flüssige Übergänge und Überschneidungen miteinander verbunden sind.

Inhalt

Zunächst wird die Grenze als Ort ästhetischer Produktion untersucht. Die Autorin erläutert zunächst, dass Grenze in diesem Kontext nicht bloß als Abgrenzung, sondern auch als eigner Raum (borderlands) verstanden werden muss. In ihm entsteht eine Dynamik, die es möglich macht, hybride Formen ästhetischer Darstellungen hervorzubringen, die aus Kulturkontakt entstehen und Machtverhältnisse kritisch hinterfragt. Dieses Element der Hybridität produziert „widerständige Energien und kreative Kräfte, die das Potential haben zu unterbrechen, zu denaturalisieren und hegemoniale Formationen zu zerlegen“ (S. 440). Darüber hinaus haben Grenzräume, so illustriert es die Autorin anhand der mexikanisch-amerikanischen borderlands, ein Potential für dekolonialisierende Denkansätze.

Anschließend thematisiert die Autorin ästhetische Darstellungen und Repräsentationen von Grenzen. Hierzu wird die Entwicklung der Chicanx-Literatur herangezogen, die sich als „dezidierte border literature“ (S. 444) versteht und sich „als ästhetisches Produkt der Grenze [begreift], als eine Literatur, welche die Grenze für Leser*innen erfahrbar macht“ (ibid.). Zugleich ist dieses Schreiben gekennzeichnet durch Grenzüberschreitungen und Vermischungen durch „Mehrsprachigkeit und einer multilingualen Poetik“ und „Genre-Hybridität“ (ibid.). Thematisch stehen häufig Fragen der Identität im Vordergrund, sowie eine kritische Haltung gegenüber der hegemonialen anglo-amerikanischen Kultur. Auch im Bereich der Performance-Kunst ist die Auseinandersetzung mit der Grenze in den Fokus gerückt. Neben einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit Grenze und Grenzräumen werden diese durch Performances „selbst zum Schauplatz ästhetischer Inszenierungen. Einerseits werden in der Grenzkunst unsichtbare Grenzen im Raum konkret gemacht und verkörpert, zugleich werden dabei aber auch gesellschaftliche Vorstellungen und Auswirkungen von Grenzen verhandelt“ (S. 448).

Schließlich skizziert die Autorin Konzeptionalisierungen von Grenzästhetik. Um die Grenze in ihrer Komplexität möglichst weitegehend konzeptuell erfassen zu können, ist ein interdisziplinärer Ansatz möglich, der darüber hinaus ein Verständnis für die die Grenze konstituierenden Diskurse und Praktiken bedient. Poetiken der Grenze räumen dieser eine gestalterische Kraft im literarischen Schaffensprozess ein. Daraus entstehende Überlegungen zu der spezifischen Lesart der border poetics konzentrieren sich auf die Frage, „mit welchen Strategien und Narrativen verschiedene Grenzen wie nationale, institutionelle und generische Grenzen in einem literarischen Text hergestellt und überschritten werden“ (S. 450). Der Bereich der border aesthetics beschäftigt sich dagegen vorwiegend mit Veränderungen, die durch ein Zusammentreffen von Grenzen und Ästhetik entstehen. Schließlich bietet das Konzept des bordertexturing die Möglichkeit, „verschiedene Verflechtungsbeziehungen zwischen ästhetischen Darstellungen der Grenze mit anderen Diskursen und Praktiken herauszuarbeiten“ (S. 451).

Fazit

Die „Grenze“ ist zu einer wichtigen Analysekategorien in den Sozial- und Kulturwissenschaften avanciert. Grenzen werden im Zuge jüngerer konzeptueller Entwicklungen als „Ergebnisse von vielschichtigen dynamischen Prozessen“ (S. 437) betrachtet. Dieses kulturwissenschaftliche Interesse bezieht sich auch auf ästhetische Repräsentationen von Grenze. Der Begriff der Grenze, so die Autorin, ist für „Ästhetik“ von immenser Bedeutung, da Grenze eine ordnende, teilende, abgrenzende Funktion hat, durch die Ästhetik ihre Bedeutung überhaupt erst entfalten kann. „Grenzen können demnach als konstituierend für Ästhetik gedacht werden, die sich als eine Dimension der Erfahrbarkeit von Grenzen entfaltet“ (ibid.).

Die verschiedenen Ansätze zur Untersuchung von Grenzästhetik sind weder scharf voneinander abgrenzbar, noch sind sie linear aufeinander aufbauend. Vielmehr sind sie durch Überschneidungen miteinander verwoben und sind so gleichermaßen an einer möglichst breit gefassten konzeptionellen Erfassung von Grenze(n) und Ästhetik interessiert.

Die Autorin systematisiert anhand der drei Dimensionen von Grenzästhetik die Vielfalt der ästhetischen Gestaltungsmöglichkeiten von Grenze(n). Dies ermöglicht es, sowohl die historische Entwicklung von Grenze im Kontext von Ästhetik nachzuvollziehen, als auch die Entwicklung der kulturwissenschaftlich orientierten Border Studies zu kontextualisieren. Diese Systematisierung und ihre exemplarische Anwendung ermöglichen es, die im Artikel erarbeiteten Ansätze auf eine Vielzahl lokaler, regionaler und globaler Grenzszenarien anzuwenden.

Indem zudem literarische und künstlerische Entwicklungen nachgezeichnet werden, stellt die Autorin heraus, wie unterschiedliche künstlerische Formen dazu beitragen, „die Grenze subversiv neu zu denken“ (S. 453). Nicht zuletzte über die Einbeziehung der Grenze in performative künstlerische Akte entfaltet die Grenze ein eigenes poetisches Potential, das es ermöglichst, künstlerisches und politisches Denken und Handeln miteinander zu verweben, um die kritische Auseinandersetzung mit Grenzregimen zu initiieren.

Kernaussagen

Unterschiedliche Dimensionen der Grenzästhetik ermöglichen konzeptuelle Erweiterung und komplexere Erfassung von Grenze und Ästhetik. Grenze als Ort der Kulturproduktion und Ästhetik; ästhetische Darstellung von Grenze; Konzeptualisierungen von Grenzästhetik. Grenze als Ort der Differenz; innovative ästhetische Produktion, Herausbildung einer Grenzliteratur. Literarische und künstlerische Auseinandersetzung mit Grenze und Grenzräumen als Potential zur kritischen Auseinandersetzung mit Wirkmacht von Grenze. Performance-Kunst als Inszenierung von Grenze. Möglichkeit zur Verknüpfung von ästhetischem und politischem Denken und Handeln.

Leitung

Astrid Fellner

Verfasser des Eintrags
Ansprechpartner
Erstellungsdatum
2021