Kooperationsprojekt – Die Wiederkehr imperialer Grenzen?

Das Kooperationsprojekt im Schnittfeld geographischer und historischer Grenzforschung will die Spezifik imperialer Grenzregime, ihre Logiken und Funktionsweisen im Kontrast zu nationalstaatlichen Grenzziehungen besser verstehen. Der explizite Blick in die Geschichte verfolgt dabei das Ziel, den aktuellen Diskussionen um die Wiederkehr imperialer Grenzziehungen eine reflexive Tiefenschärfe zu verleihen.

Die aggressive Politik Russlands in der Ukraine, aber auch die expansiven Bestrebungen anderer Mächte in einer neuen, multipolaren Welt werfen die Frage nach den Parallelen zu vergangenen Formen imperialer Raumbeherrschung auf. Sie fordern geradezu auf, dass begriffliche Instrumentarium zu schärfen und nach den Unterschieden zwischen verschiedenen, vergangenen wie aktuellen imperialen Grenzregimen zu fragen. Insofern bringt das Symposium Perspektiven auf historische wie gegenwärtige Praktiken des bordering in imperialen Kontexten zusammen.

Symposium 4.-6.11.2024
Die Wiederkehr imperialer Grenzen? Praktiken, Repräsentationen, Anfechtungen
Goethe-Universität Frankfurt (Frankfurt am Main)

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Während die historisch orientierte Grenzforschung seit langem sowohl die trennende wie verbindende Funktion von Grenzen betont und vor dem Hintergrund sich überlappender Herrschaftsräume der Vorstellung linearer Grenzen weitgehend skeptisch gegenübersteht, sind in der aktuellen Grenzforschung (Border Studies) erst zur Jahrtausendwende Gegenentwürfe zur Linie aufgekommen. Unter dem Einfluss verschiedener cultural turns hat sich dort ein konstruktivistischer Ansatz von Grenzen durchgesetzt, der über die sozialen Prozesse ihrer Produktion sowie (De-)Stabilisierung reflektiert. Methodologisch geht es dabei um die Überführung der Grenze von einem fixen linienhaften Objekt (border) in die Annahme eines dynamischen Prozesses der Grenze durch soziales Handeln (bordering). Diese Vorstellung war auch für Disziplinen jenseits von Geographie oder Politikwissenschaft anschlussfähig, die sich vor allem für die symbolische und kulturelle Dimensionen von Grenzen interessieren. Dieses gesteigerte Interesse der Border Studies an Praktiken, Diskursen und Repräsentationen bzw. die Untersuchung von Prozessen der Aushandlung sowie Anfechtungen von Grenzen soll in dem Symposium genutzt werden, um über einen bestimmten Typ von Grenzen neu nachzudenken: imperiale Grenzen.

Mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine sind imperiale Herrschaftsformen und die mit ihnen verbundenen aggressiven Expansionsbestrebungen auf fatale Weise wieder ins öffentliche Licht gerückt. Gleichzeitig sind solche mit Gewalt verbundenen Grenzverschiebungen nicht die einzige Form, in der Grenzen in einem imperialen Kontext wirksam werden. Versteht man Imperien als das Zusammenspiel von kultureller Vielfalt und flexiblen Herrschaftsräumen unter dem Einfluss einer imperialen Leitkultur, stellt sich nicht nur unmittelbar die Frage nach den äußeren, durch Prozesse von Expansion und Rückzug geprägten Grenzen, sondern auch jene nach den inneren Grenzziehungen zwischen den verschiedenen Teilen eines Imperiums und der von ihnen repräsentierten Heterogenität.

Beide Grenzformen sollen in einer interdisziplinären sowie raum- und epochenübergreifenden Perspektive diskutiert und miteinander in Beziehung gesetzt werden. Dabei interessieren nicht nur Machtprozesse der Grenzziehung, sondern auch der Anfechtung, Verschiebung, Stabilisierung und Destabilisierung von Grenzen und die mit ihnen verbundenen Prozesse der Ausweitung, Festigung, aber auch der Rückbildung von politischen, ökonomischen oder kulturellen Herrschafts- und Einflussbereichen. Gefragt werden soll genauso nach dem alltagsweltlichen Umgang mit Grenzen in imperialen Kontexten, nach den Formen der Administrierung von imperialen Grenzregimen im Alltag, nach dem Umgang mit diesen Grenzen aufseiten ihrer Anrainer und auch nach den strategischen Indienstnahmen der Grenzsituation, um jenseits des Herrschaftskontextes – oder durch seine eigensinnige Aneignung – eigene Ziele zu verwirklichen.

Diese und weitere Fragen sollen helfen, die Spezifik imperialer Grenzregime, ihre Logiken und Funktionsweisen gerade im Kontrast zu nationalstaatlichen Grenzziehungen besser zu verstehen. Der explizite Blick in die Geschichte verfolgt dabei auch das Ziel, den aktuellen Diskussionen um die Wiederkehr imperialer Grenzziehungen eine reflexive Tiefenschärfe zu verleihen. Die aggressive Politik Russlands in der Ukraine, aber auch die expansiven Bestrebungen anderer Mächte in einer neuen, multipolaren Welt werfen die Frage nach den Parallelen zu vergangenen Formen imperialer Raumbeherrschung auf. Sie fordern ferner dazu auf, dass begriffliche Instrumentarium zu schärfen und nach den Unterschieden zwischen verschiedenen, vergangenen wie aktuellen imperialen Grenzregimen zu fragen. Insofern möchte das Symposium Perspektiven auf historische wie gegenwärtige Praktiken des bordering in imperialen Kontexten zusammenbringen und zur Diskussion stellen.

Vortragsvorschlag: Erbeten sind Vortragsvorschläge aus allen Disziplinen der Sozial- und Kulturwissenschaften in deutscher oder französischer oder englischer Sprache mit folgenden Angaben: Name, akademischer Titel, Institution, E-Mail, Vortragstitel, Abstract (max. 300 Worte). Bitte sende Sie Ihren Vortragsvorschlag im Word-Format bis zum 15. Mai 2024 an Christian Wille (christian.wille@uni.lu).

Sprache: Die Arbeitssprachen des Symposiums sind Deutsch, Französisch und Englisch ohne Verdolmetschung. Mindestens passive Sprachkompetenzen in den Arbeitssprachen sind für die Teilnahme erforderlich. Vortragende sind gebeten, ihre PPT-Präsentation in einer anderen Sprache zu verfassen als im Vortrag gesprochen wird.

Präsenz-Veranstaltung: Das Symposium findet in physischer Präsenz der Teilnehmenden an der Goethe-Universität Frankfurt statt. Eine Online-Teilnahme ist nicht möglich.

Reise und Unterkunft: Die Reise- und Unterkunftskosten werden im Rahmen des Möglichen übernommen.


Eine Kooperation des UniGR-Center for Border Studies (UniGR-CBS) und des Institut franco-allemand de sciences historiques et sociales (IFRA-SHS) mit Unterstützung des EURETES „Faire société“

Projektpartner
Falk Bretschneider (École des hautes études en sciences sociales Paris, IFRA-SHS)
Grégory Hamez (Université de Lorraine, UniGR-CBS)
Christian Wille (Universität Luxemburg, UniGR-CBS)