Accentuate the Regional

Accentuate the Regional

Sprache(n)
Englisch
Einleitung

Die Grenzen zwischen dem Regionalen und dem Urbanen sind heute fließend geworden, weshalb sich diese beiden Bereiche nicht mehr als distinkte Forschungsfelder aufrechterhalten lassen, sondern zusammen betrachtet werden müssen. Sojas Artikel reflektiert diesen Prozess und beleuchtet acht Themenfelder für eine kritische urbane/regionale Forschung.

Zusammenfassung

Soja befasst sich in diesem Artikel mit den immer mehr miteinander verschmelzenden Forschungsfeldern der regionalen und der urbanen Studien. Er plädiert dafür diese beiden Forschungsbereiche zusammenzudenken, da sich auch in der Empirie vermehrt das Zusammenwachsen dieser vormals distinkten Kategorein beobachten lässt. Soja zeigt Forschungslücken und Bedarfe auf und weist auf acht Themenbereiche hin, die relevant für eine kritische, vergleichende Regionalforschung sind: 1) Der neue Regionalismus, 2) Die generative Kraft von Städten und Regionen, 3) die regionale Urbanisierung, 4) das Ende der Metropole, 5) die erweiterte regionale Urbanisierung, 6) die multiskalare Regionalisierung, 7) regionale Governance und Planung und 8) regionale Demokratie.

Inhalt

Da regionale und urbane Studien immer mehr miteinander verschmelzen, beleuchtet Sojas Artikel acht Themenbereiche, die eine kritische, vergleichende Perspektive auf regionale/urbane Forschung bieten.

  1. Der neue Regionalismus ist im Zuge des spatial turn und der transdisziplinären Verbreitung kritischer Raumperspektiven aufgekommen (S. 272). Er ist nur wenig in der Literatur rezipiert und kaum empirisch erforscht. In der Vergangenheit wurden Regionen lediglich als Hintergrund für ökonomisches Handeln und soziale Prozesse betrachtet, doch heute werden Regionen selbst als mächtige Motoren gesehen, die regionale Produktion, Konsumption und Kreativität ankurbeln und die Globalisierung des Kapitals, der Arbeit und der Kultur formen (S. 273).
  2. Es ist unbestritten, dass Urbanisierung und regionale Entwicklung generative Kräfte entwickeln, z.B. im Bereich der Wirtschaftsentwicklung. Jedoch weiß man bis dato wenig darüber, wie dieser Agglomerationseffekt genau funktioniert, welche negativen Effekte er hat und wie er sich z.B. auf die Umwelt und den Klimawandel auswirkt (S. 274).
  3. Urbane und regionale Konzepte und Formen vermischen sich immer mehr. Dies beschreibt Soja als hybriden Prozess der regionalen Urbanisierung. In Metropolregionen verdrängt die regionale Urbanisierung ehemals feste Grenzen zwischen urbanem und suburbanem Raum, zwischen urbanem und ländlichem Raum sowie Stadt und Dorf (ebd.). Ein Beispiel ist die Stadt-Region Los Angeles, die innerhalb von 60 Jahren zur dicht besiedeltsten Stadt-Region in den USA geworden ist, was sich an der peripheren Urbanisierung zeigt (40 Städte mit mehr als hunderttausend Einwohnern befinden sich rund um LA) (S. 275).
  4. Die polyzentrische Stadtregion und regionale Städte sind Hauptkonzepte des neuen Regionalismus und haben alte Konzepte wie die Metropole abgelöst (ebd.). Die Metropole erlebt einen paradigmatischen Wandel in Richtung eines regionalen Models der Urbanisierung. Dabei werden Prozesse wie Periurbanisierung und die gleichzeitig zunehmende Bevölkerungsdichte in Stadtzentren immer relevanter. Diese Entwicklungen lassen sich weltweit in Städten und Regionen wie LA, San Francisco, London, Mailand, Barcelona, Berlin, Johannesburg oder der Großregion zwischen Luxemburg, Deutschland Frankreich und Belgien beobachten (S. 276).
  5. Städte und Regionen werden heute immer größer, sie werden u.a. als „megacity-regions“ oder „megalopolitan regions“ bezeichnet. Meist wird aber der Begriff „city-region“ benutzt. Megacity bezeichnet eine Stadtregion mit einer Einwohnerzahl von mehr als fünf Millionen, wohingegen eine Megaregion mehr als zwanzig Millionen Einwohner umfasst (ebd.). Ein typisches Beispiel hierfür ist die Perlflussregion in China mit den Städten Shengzhen, Guangzhou und Hong Kong mit 120 Millionen Einwohnern (S. 277).
  6. Die Globalisierung zieht immer mehr in die Städte ein, sodass kulturelle und wirtschaftliche Gefüge immer heterogener werden und man mittlerweile von einer planetaren Urbanisierung spricht. Urbanisierung existiert auf verschiedenen Maßstäben (scales), die über sub-nationale Regionen hinausgehen und oft wirtschaftliche Zusammenschlüsse von supranationalen Regionen beschreiben, wie z.B. NAFTA, MERCUSUR oder ASEAN. Gerade in Europa haben sich auch neue grenzüberschreitende Regionen geformt (ebd). Multiskalare Regionalisierung sollte laut Soja jedoch nicht nur auf interstaatliche und wirtschaftliche Prozesse beschränkt werden, sondern auch darüber hinaus gehen (vgl. globale Regionalmächte, Beziehung Nord-Süd, Vermischung von Metropolen und sub-nationalen Regionen) (S. 278).
  7. Durch die neue Regionalisierung und Urbanisierung bedarf es auch dringend neuer Governance- und Planungsstrukturen. Diese müssen flexibel sein und sich auf spezifische Problematiken wie z.B. Verkehr oder Umweltmanagement konzentrieren. Beispiele für neue Governanceformen findet man in Städten, die ihre Steuern gemeinsam verwalten und in gemeinsame regionale und urbane Entwicklungsprojekte investieren (S. 279).
  8. Mit der Entwicklung neuer Stadtregionen erweitern sich auch die Forschungsmöglichkeiten und Fragen im Bereich der Bürgerschaft, Demokratie, Gerechtigkeit, Menschenrechte und sozialen Bewegungen. So kann man z.B. beobachten, dass das von Lefebvre formulierte Recht auf Stadt sich ausweitet zu einer Forderung von Recht auf die Stadtregion. Gemeindebasierte Regionalisierung und partizipative Demokratie stellen dabei vor dem Hintergrund des neuen Regionalismus besonders wichtige Forschungsthemen dar (S. 280).
Fazit

Sojas Artikel verdeutlicht, dass Prozesse der Regionalisierung und Urbanisierung allgegenwärtig sind und man keine klaren Trennungen zwischen urbanen Räumen und Regionen mehr ziehen kann. Die Vermischung dieser beiden Raumkategorien führt zu einer Vielzahl neuer Forschungsbereiche und Bedarfe. So müssen Regionen in einem ganz neuen Licht betrachtet werden und ihre Bedeutung für wirtschaftliche, kulturelle und soziale Prozesse muss erörtert werden. Ebenso ist Urbanisierung ein immer komplexeres Phänomen geworden, das sich weltweit ausbreitet und neue Forschungsbereiche, wie z.B Megaregionen oder Periurbanisierung, hervorbringt. Diese regionalen und urbanen Verschmelzungsprozesse werfen auch neue Fragen des Zusammenlebens und der Organisation solcher Räume auf. Soja schlussfolgert, dass gerade auch im Bereich der Governance und Planung sowie in Bezug auf regionale Demokratisierung neue Strategien und Konzepte notwendig sind, um die Herausforderungen der regionalen Urbanisierung und es neuen Regionalismus zu bewältigen

Kernaussagen

Die Grenze zwischen urbanen und regionalen Forschungsbereichen können nicht mehr aufrechterhalten werden, da sich diese Raumkategorien immer mehr miteinander vermischen und neue hybride Formen identifiziert werden können. Diese neuen urbanen/regionalen Formen gilt es kritisch und differenziert zu erforschen. Wichtige Forschungsfoki können die Dichte, Größe und der Maßstab von urbanen/regionalen Agglomerationen sein sowie ihre Bedeutung für wirtschaftliche, soziale, technologische und kulturelle Entwicklungen. Demokratische Prozesse und neue Organisationsformen im Bereich Planung und Governance müssen ebenfalls kritisch betrachtet werden. Soja weißt daher auf die mannigfaltigen Forschungsmöglichkeiten und empirischen Phänomene hin, die sich durch die Auflösung der Stadt/Land, bzw. urbaner Raum/Region Dichotomie eröffnen.

Leitung

Prof. Edward Soja (*1940 - †2015), Geograph und Stadtforscher, kanZuletzt Prof. für Stadtplanung an der University of California, Los Angeles (USA)

 

Verfasser des Eintrags
Erstellungsdatum
2019
Erschienen in
International Journal of Urban and Regional Research, volume 39, Issue 2
Identifikationsnummer

DOI:10.1111/1468-2427.12176